Montag, 6. Juni 2016

Gullivers Reisen und Münchhausens Abenteuer

ArbeitsAsozialministerin Andrea Nahles arbeitet mit Hochdruck am "Projekt 18" für die Verräterpartei. Bleibt zu hoffen dass sie und ihre Parteikumpane damit ähnlich erfolgreich sind wie seinerzeit der Westerwelle bei der FDP. Neben den euphemistisch als Rechtsvereinfachung bezeichneten Verschärfungen der Repressionen beim Hartz-Terror (Stichwort Kürzung der Leistungen von Alleinerziehenden wenn das Kind sich tageweise beim anderen Elternteil aufhält) soll weiteres Unrecht geschaffen werden indem man uns der Möglichkeit einer nachträglichen Überprüfung fehlerhafter Bescheide berauben will. Wo kämen wir da auch hin wenn die Hungerleider sich auch noch wehren könnten gegen die unmenschliche Behandlung durch die Jobcenter-Schergen.


Aber selbst damit ist der Niveau-Limbo der angeblichen Arbeiterpartei noch nicht beendet. Frei nach dem Motto "How low can you go" wird auch die Leihsklaverei weiter gepusht. Die "kosmetischen" Änderungen am Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zu Ungunsten der Leihsklaven sind auch auf dem Mist dieses Eifeler Bauerntrampels gewachsen. Das sie sich nicht entblödet auch diese sehr eindeutige Schlechterstellung der Arbeitnehmer als Verbesserung zu verkaufen sagt sehr viel über das soziale Gewissen der Frau N. aus. Als nächste Sauerei steht das Teilhabegesetz auf der Liste des sozialen Kahlschlags. Auch hier versucht Nahles die Verschlimmerung eines schlechten Systems als Verbesserung darzustellen, was ihr auch hier nicht gelingt. Jeder der will kann sehen dass diese Reförmchen und "Vereinfachungen" lediglich zur Verschärfung der sozialen Ungerechtigkeit führt.

Schade nur dass es hier in Deutschland keine Protestkultur gibt und dass die Gewerkschaften schon lange nicht mehr im Sinne ihrer Mitglieder arbeiten. Wie es auch anders gehen kann zeigen unsere westlichen Nachbarn im Moment recht eindrucksvoll. So etwas hätten wir hier vor gut zehn Jahren auch gebraucht, als Schröder die Neoliberale Wende in Deutschland abgeschlossen hat. Naja was soll's, water under the bridge.

Aber nicht nur die SPD macht ihrem Namen als Verräterpartei alle Ehre, auch bei der CDU ist der Verrat an der eigenen (nominalen) Klientel immer wieder evident, wie man an den Plänen unseres Gesundheitsministers Hermann Gröhe sehen kann. Dieser "christliche" Politiker will Arzneimitteltests an Demenzkranken und geistig Behinderten ohne deren Einverständnis erlauben. Immerhin wehren sich da die Kirchen noch und versuchen das schlimmste abzuwenden, während bei den Spezialdemokraten der SPD jegliche als Korrektiv denkbare Organisationen und Verbände schon soweit im Enddarm des Establishments stecken, dass sie garnicht mehr mitbekommen was die Politik so alles im Namen der Konkurrenzfähigkeit verbricht.

Nebenbei werden wir traditionell jeden Monat mit neuen Jubelmeldungen bezüglich der Arbeitslosenstatistik gefüttert. Noch nie gab es so wenige Arbeitslose! Alles wird gut! Ein Redakteur der aktuellen Kamera Tagesschau hat aber wohl das Memo nicht gelesen und ein kurzes Erklärbär-Video veröffentlicht in dem die Zahlenjonglierer der BA und ihre billigen Tricks wenigstens zum Teil entlarvt werden. Löblich.

Was mir in dem Zusammenhang in letzter Zeit immer öfter auffällt das sind Artikel von jungen Autoren, die über ihre Erlebnisse in der Hartz-Hölle berichten. Was mir bei der Lektüre dieser Artikel regelmäßig durch den Kopf geht ist das Gefühl, ich würde über "Gullivers Reisen" lesen. Es sind immer Erlebnisberichte aus einer anderen Welt. Plötzlich müssen sich diese Menschen überlegen ob sie ihre Groschen für Essen oder Sprit ausgeben. Wie gut dass der Freund die Tankfüllung bezahlt oder der Bekannte einen einlädt einen trinken zu gehen. Und irgendwann (in der Regel nach weniger als zwei Jahren) geschieht das Wunder und die Autoren bekommen eine Stelle angeboten, mit Hilfe derer sie ihren Lebensunterhalt zukünftig selbst bestreiten können. Diesen schönen Geschichten sind einige Dinge gemein: Sie erzählen aus dem Hartz-Alltag, aber aus der Position eines kurzfristigen Besuchers dieser Welt, nicht aus Sicht eines "Eingeborenen Lilliputaners". Nie liest man über jemanden, der seit zehn Jahren aufstocken muss, weil sein Arbeit"geber" es nicht für nötig hält ihn für seine verlorene Lebenszeit anständig zu entlohnen. Nie liest man über den Depressiven, der trotz immenser persönlicher Probleme dazu gezwungen wird regelmäßig bei Sklavenhändlern (aka "Personaldienstleistern") vorstellig zu werden.

Und nie liest man davon, dass die Jobcenter spätestens alle zwei Jahre, meist noch früher, die Sachbearbeiter der Langzeitarbeitslosen im Rotationsverfahren austauschen, um zu verhindern dass der SB vielleicht doch Mitleid mit seinen "Kunden" entwickelt und deswegen die "Sanktionierungsquote" möglicherweise nicht erfüllt. Mit schöner Regelmäßigkeit geht so das zermürbende Spiel von vorne los. Von "sie müssen sich nur zusammenreißen", über "jede Arbeit ist doch besser als keine Arbeit" bis zu "ihre psychischen Probleme sind doch nur vorgeschoben" habe ich da schon alles gehört und mit jedem neuen Sachbearbeiter steigt die Frustration und die Ablehnung dieses Bürokratie-Monsters in neue, bis dahin unbekannte Höhen.

Bei all den Sauereien die die Einheitsparteien regelmäßig liefern, fallen die Ausfälle der nachwachsenden Demokratie-Simulatoren wie die der AfD gar nicht weiter ins Gewicht. AfD oder CDU/CSU? Ob offene Homophobie oder Xenophobie, ob "Stärkung der Familie" oder "Leitkultur", das macht doch heutzutage kaum mehr einen Unterschied. Während sich Mutti Merkel mit Großsultan Erdogan in Weltpolitik übt und Bundeswirtschaftserzengel Gabriel alles tut um uns doch noch mit TTIP/CETA zu segnen wird Griechenland weiter von Schäuble und Konsorten ausgesaugt. Die AfD sammelt derweil all die Unzufriedenen aber schlecht informierten ein, die sich nur zu gern einen vom Pferd erzählen lassen. Und die Linke? Die findet weiter unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, wenn überhaupt (kleine parlamentarische Anfragen stellen ersetzt keine Parteilinie liebe Linke!)

"Die Regierung des Menschen über den Menschen ist die Sklaverei. Wer immer die Hand auf mich legt, um über mich zu herrschen, ist ein Usurpator und ein Tyrann. Ich erkläre ihn zu meinem Feinde." (Proudhon)

4 Kommentare:

  1. Danke für diese treffliche Analyse. Man muss den Müll von Zeit zu Zeit tatsächlich zusammenfassen, damit er im Wust des medialen Wahnsinns nicht gänzlich untergeht.

    Dass Du dich hier über das - selbstverständlich - nicht vorhandene "soziale Gewissen" der Frau Nahles auslässt, belustigt mich allerdings. Es macht doch nun keinen Unterschied, ob auf diesem fürstlich entlohnten Posten nun ein Bauerntrampel aus der Eifel oder irgendeine andere korrupte Figur - aus welcher Sparte der Einheitspartei auch immer - hockt.

    Es fällt mir selber sehr schwer - aber wir sollten damit aufhören, das vollkommen absurde neoliberale Spielchen der Personalisierung von politischen Entscheidungen und Positionen mitzutragen. Das ist vor allem ein Memo an mich selber, und keine Kritik an Deinem vorzüglichen Text.

    Von irgendwelchen "Kurzzeitarbeitslosen" und deren Erfahrungen mit dem Hartz-Terror habe ich indes noch nichts gelesen - vielleicht kannst Du da den einen oder anderen Link beisteuern? - Sehr wichtig finde ich Deinen Hinweis auf das perverse "Rotationsverfahren" der "Sachbearbeiter" bzw. "Kundenbetreuer" in den "Jobcentern". Das kann ich sowohl aus erster, als auch aus zweiter Hand bestätigen. Und selbstverständlich ist es kein Zufall, dass derlei "Bäumchen-wechsle-dich"-Spielchen landauf, landab in allen Terrorbehörden gängige Praxis sind.

    Der Umgang dieses asozialen, pervertierten, kapitalistischen Staates mit psychisch erkrankten Menschen ist sicherlich einer näheren, detaillierten Betrachtung wert. Meines Wissens gibt es dazu - leider - noch nichts Belastbares (ich bitte um Korrektur, falls dieser Befund falsch ist). Umso wichtiger ist es, dass Betroffene sich dazu verstärkt äußern und von ihrem Leid berichten. - Ich weiß, dass diese Forderung ziemlich verwegen ist, da es ja zu den Symptomen einer depressiven Erkrankung gehört, sich gerade nicht (öffentlich) äußern zu können ... aber der eine oder die andere schafft es vielleicht ja dennoch.

    Dass die staatlich organisierte Menschenfeindlichkeit aber auch alle anderen Erkrankten betrifft, kann ich vielleicht mit diesem Beispiel verdeutlichen: Mir wurde nach einem Herzinfarkt, der mich vor einigen Jahren von jetzt auf gleich außer Gefecht gesetzt hat, nach einer wiederholten Krankmeldung bei einem trotzdem anberaumten Termin im "Jobcenter" - vier Wochen nachdem ich die Klinik erfreulicherweise wieder verlassen konnte - gesagt (und das ist ein wörtliches Originaltitat):

    "Sie stellen sich doch nur an! Es gibt Menschen, die stehen schon zehn Tage nach einem solchen Infarkt wieder im Job!"

    Der Milchbubi, der das damals zu mir sagte, ist inzwischen "Fachgebietsleiter" des örtlichen "Jobcenters". Wir leben in interessanten Zeiten.

    Danke für den Text! Liebe Grüße!

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    1. Links habe ich leider jetzt keine zur Hand, aber es fiel mir bei praktisch allen Artikeln die ich in letzter Zeit bei den sog. Qualitätsmedien zum Thema gelesen habe auf. Egal ob es in der Süddeutschen, der taz, dem Spiegel oder beim Freitag war. Die Texte befassten sich mit den Geschichten von frisch von der Uni kommenden Akademikern, die im Übergang ins Arbeitsleben etwas länger brauchten oder ähnliches.

      Nicht das ich deren Probleme als nicht so schlimm sehen würde oder relativieren will was sie durchmachen, aber es macht IMHO schon einen gewaltigen Unterschied ob ich für ein Jahr in der Luft hänge oder für zehn, ganz unabhängig von den sonstigen Umständen.

      Beim Freitag gibt's zwar einen Blogger der offensichtlich auch schon seit etlichen Jahren im Hartz-Terror festsitzt ("Freie HartzIV Presse" nennt er sich). Dessen Texte sind aber für meinen Geschmack zu wenig Zustandsbeschreibung und etwas zu sehr politische Agitation. Der Mann und sein Schreibstil sind mir irgendwie suspekt, aber ich kann den Finger nicht wirklich darauf legen was mir daran nicht passt.

      Aber generell ist natürlich zu begrüßen dass sich die Medien überhaupt mit dem Thema befassen und der "Restbevölkerung" zeigen dass sich Hartz-Schicksale nicht mit Florida-Rolf u.ä. erschöpfen.

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  2. "Bei all den Sauereien die die Einheitsparteien regelmäßig liefern, fallen die Ausfälle der nachwachsenden Demokratie-Simulatoren wie die der AfD gar nicht weiter ins Gewicht."

    Mein Reden! Es ist schon auffällig, wie stark sich die LeiDmedien auf die AfD einschießen. Vor einigen Monaten war es die Pegida-Bewegung. Über linke Protestbewegungen und/oder Parteien wird indessen nicht soviel geschrieben. Zufall? Wohl kaum. Hier wird uns ein Sündenbock geliefert. Kompensations-Material zum "Abreagieren", damit die Finanzmafia, Bankster und Polit-Marionetten weiter unbehelligt die Demokratie abbauen können.

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