Mittwoch, 28. Oktober 2015

Dunkeldeutschland an der Mosel

Gestern hatte ich einen Termin beim Jobcenter. Meine Sachbearbeiterin wollte mit mir über meine "berufliche Situation" sprechen. Will heißen: sie fragt mich zum hundertsten Mal die selben Fragen und ich gebe ihr zum hundertsten Mal die selben Antworten. Ein Standard-Termin, ähnlich dem bei der ungeliebten Erbtante, der man den jährlichen Pflichtbesuch abstattet. Aber ich möchte mich heute überhaupt nicht über die Sinnlosigkeit dieser Gespräche auslassen, obwohl es dafür mehr als genug Gründe gäbe und ich das eigentlich auch vor hatte.

Der Termin war um halb neun und wie es sich für einen guten Hartzer gehört war ich fünf Minuten vorher da und setzte mich in den Wartebereich. Kurz nach halb kam meine Sachbearbeiterin um mich in ihr Büro zu rufen. Sie stellte die üblichen Fragen, ich gab die üblichen Antworten (siehe oben). Sie hatte eine kleine Überraschung in Form eines Ein-Euro-Jobs, nein, einer Arbeitsgelegenheit, wie man das in Newspeak heute nennt, bei einem gemeinnützigen Verein der den unterprivilegierten Massen die Freuden der IT näher bringen soll. So zumindest konnte ich einem "Grußwort" unseres Bürgermeisters entnehmen. Nun, ich interessiere mich für Computer und ein Job dort erschien mir allemal besser als irgendwo im Wald Blätter aufsammeln oder so ein Quatsch. Das Problem war nur dass die Bürozeiten der Maßnahme von neun bis siebzehn Uhr sind und es war erst Viertel vor Neun. Also bat sie mich draußen im Wartebereich zu warten bis sie den Menschen bei diesem Verein telefonisch erreichen konnte um mich anzumelden. So ging ich wieder zurück in besagten Wartebereich.


Dort hatten es sich in der Zwischenzeit neben den anderen Wartenden eine Handvoll Frauen verschiedenen Alters gemütlich gemacht und waren sich lautstark am unterhalten. Schnell merkte ich jedoch dass es weniger eine Unterhaltung als viel mehr eine Rede von einer der Frauen (ungefähr fünfzig) war, die anderen machten nur hin und wieder zustimmende Bemerkungen oder gaben blöde Sprüche wie "Du bist ja 'ne Kanone", "Nää, du bist mir ja eine" und ähnlichen Schwachsinn von sich. Das Thema waren, wie sollte es anders sein, Flüchtlinge. Und die ganze Tirade drehte sich darum, wie die sich ja alles erlauben können und wie die mehr Geld bekommen als wir Hartzer und neue, teure Handys geschenkt bekommen wenn sie hier ankommen ("Dat stimmt, könnt ihr mir glauben!"). Und überhaupt, dass man doch nicht zulassen könne, dass die hierher kommen und uns unser schönes Land kaputt machen mit ihren komischen Sitten. Doch damit nicht genug. Man müsse ja schon fast mit einem Baseballschläger aus dem Haus gehen um sich vor den ganzen Asylanten zu schützen, meinte sie. Alles Verbrecher sind das doch. Nach einer kurzen Denkpause dachte sie sich wohl Angriff ist die beste Verteidigung und erzählte ihren Freundinnen, sie habe sich schon überlegt mit einem Baseballschläger zur Dasbachstraße zu gehen (dort ist das hiesige Flüchtlingslager) und denen da mal zu zeigen was Willkommenskultur hier in Trier heisst ("Nää, wat bist du en Kanoon" erwiderte eine ihrer Freundinnen lachend). Mir war schlecht.

Wartebereich des Trierer Jobcenters 2015 - Symbolfoto
Die ebenfalls anwesenden, ausländisch wirkenden, Gesichter blickten, genau wie die anderen Unbeteiligten und ich, betreten zu Boden und wünschten sich vermutlich genau wie ich an den Nordpol, oder sonstwohin wo es nicht so eisig kalt war wie in diesem Moment in diesem überheizten Vorraum zur Hölle. Gesagt hat keiner was, weder der türkisch aussehende Mittfünfziger in der Ecke, noch die beiden jungen Männer, die sich mit ihrer Begleiterin leise auf englisch über diese abscheuliche Person lustig machten, noch ich oder einer der anderen anwesenden "Biodeutschen".

Ich versuchte noch meinen Mut zu sammeln und überlegte was ich wie sagen sollte, als die Alte das Thema wechselte und erzählte, wie sie das neue S6 ihres Sohnes an diesem Morgen an die Wand geworfen habe. Aber kein Problem, meinte sie. Sie habe ihrem Sohn gesagt, er solle es einfach der Versicherung als gestohlen melden, dann bekäme er ein neues. Gratis - selbstverständlich. Anschließend erzählte sie dann die Geschichte, wie ihr älterer anderer Sohn neulich bei ihr übernachtete und früh morgens um halb sieben die Polizei sie aus dem Bett geklingelt habe. Eine Verdächtigenbefragung in einem Vergewaltigungsfall. Eine Frechheit sondergleichen, den Bullen habe sie gut die Meinung gegeigt - go figure.

Dann erlöste mich meine Sachbearbeiterin indem sie mich wieder in ihr Büro rief. Ich bedankte mich bei ihr dafür und sie meinte lächelnd, ja die Frauen würden schon ganz schön schnattern. Worauf ich erwiderte, es gehe da draußen eher zu wie auf der Generalversammlung der NPD und nicht wie beim Kaffeekränzchen alter Tanten. Darauf blickte sie betreten zu Boden und meinte kleinlaut "Oh, wirklich?" Beim hinausgehen brachte ich es immerhin fertig ein leises "Faschofotze" zu murmeln als ich an der Kuh vorüber ging. Ich glaube auch sie hat mich gehört, weil sie ihre Sitznachbarin fragte "Wat war dat denn?", aber ich hätte ihr ihre rassistische Kackscheiße gleich da und dort ins Gesicht klatschen sollen als sie sie von sich gab, so wie sie das Handy ihrer nutzlosen Brut.

10 Kommentare:

  1. Fluchtwagenfahrer28. Oktober 2015 um 12:21

    Moin Hubert,
    du armer Klops meinst also, du hättest früher verbal einsteigen sollen, gaaaanz böses Faul.
    Es hätte damit geendet das du a.) in diese verschissenen Birne eh nichts reinbekommen hättest und b.) du möglicherweise mit Handschellen auf dem Boden gelegen hättest.
    Alles so schon selbst erlebt, never ever.
    Aber die Idee mit dem Baseballschläger, nun ja......hmmmm, man kann ja ....
    LG

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    1. Dein comment war irgendwie im Spamordner gelandet, sry :-)

      on topic: das waren so ungefähr auch die Gedanken die mir durch den Kopf gingen, zumal ich mit der Security im Jobcenter früher schon aus anderen Gründen aneinander geraten war. Aber nichtsdestotrotz, eigentlich bin ich ja der Überzeugung, dass man in solchen Fällen eingreifen soll, nicht um (zweifellos vergeblich) zu versuchen der Faschotante die Realität nah zu bringen, sondern schlicht um nicht durch Schweigen eine irgendwie geartete Zustimmung zu signalisieren.
      Vor zehn Jahren noch hätte ich keine Sekunde gezögert. Allerdings wäre vor zehn Jahren sowas wahrscheinlich auch überhaupt nicht passiert. So massiv wie in den vergangenen Monaten hat die braune Soße sich nach meinem Gefühl seit den frühen neunzigern nicht mehr aus dem After Deutschlands herausgetraut.

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  2. Der Boden ist gedüngt. Der Geist wieder da. Die Mentalität erneuert. Die Bigotterie war nie weg. Jetzt fehlt nur noch ein neuer Führer im "modernen" Gewand. So einer, der zunächst nur die Todesstrafe für Kinderschänder fordert. Ein "besorgter" und "aufrechter" Bürger.

    Mir wird schlecht.

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    1. Jepp, der Schoß ist fruchtbar noch, usw. Gut dass die versammelte Meute sich im Moment noch 5 Hirnzellen teilt. Wenn da mal einer auftaucht der weiter als bis zehn zählen kann und rhetorisch bißchen was drauf hat dann sind wir, wieder mal, geliefert.

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  3. Hubert, Du weißt hoffentlich, dass Du dich momentan noch sehr erfolgreich gegen die unbezahlte Zwangsarbeit der "Ein-Euro-Jobs" wehren kannst, hoffe ich? Es dürfte zwar nicht mehr allzu lange dauern, bis die neoliberale Bande diese Möglichkeiten der Gegenwehr weiter beschneidet oder gleich ganz abschafft, aber bis dahin sollte tunlichst niemand der perversen Aufforderung zur staatlich verordneten Zwangsarbeit nachkommen.

    Zu der keifenden Dame möchte ich mich hier lieber nicht äußern, da ich in ähnlichen Situationen (bei mir waren das ein Wartezimmer beim Arzt sowie eine ungewollte Begegnung in einem Café in der Stadt) unbesonnen gehandelt und emotional reagiert habe. Das führt in der Tat zu nichts Positivem. Deine Aufarbeitung - nämlich indem Du hier davon berichtest - ist nach meiner Meinung eine völlig angemessene Form, mit derlei Stumpfsinn umzugehen.

    Liebe Grüße!

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    1. Ja weiß ich. Aber ehrlich gesagt schadet es mir nicht mal wieder ein bißchen raus zu kommen aus meiner Bude. Hüttenkoller und so :) Dann ist der Laden tatsächlich ein richtiges gemeinnütziges Projekt welches ich auch sonst unterstützen würde, die richten alte PCs aus Büro-Auflösungen und so wieder her und verschenken sie dann an arme Schlümpfe die sich sonst keinen leisten könnten, helfen Menschen mit schlechten Deutschkenntnissen beim erstellen von Bewerbungsunterlagen oder erklären Opis und Omis wie man facebook benutzt..Plus es sind nur ~20 h pro Woche und wenn's mir zu blöd wird kann es ja immer noch sein dass ich plötzlich schwer krank werde...

      Grüße von der braunen Mosel
      (was leider zur Zeit auf mehr als eine Weise zutrifft)

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  4. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  5. Moin, na, nun ma´Budder bä dä Fische! Nicht nur der doofe Osten ist ist braun. Schöne Grüße aus dem " Pegidioten " - Dresden. Und, morgen,... die ganze Welt?

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    1. Das ist es ja gerade. Alles guckt in den Osten, weil da sind ja alle blöd und Nazis. Aber dass es hier im tiefsten Westen kein bisschen besser ist wird geflissentlich übersehen. Könnte da noch mehr aus dem Nähkästchen plaudern vom Rassismus in Eifel, Mosel, Hunsrück, aber ich will mir nich am frühen Morgen schon die Laune verderben.

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  6. nun....eine stunde tippe ich hier einen kommentar zu diesem blog, dass ich zum schluss auf den falschen knopf drücke und alles ist weg.ärgerlich verdammt ärgerlich denn ich habe durch meine momentanen situation sehr viel dazu zu sagen.zu erst war ich total wütend...aber wenn ich mir das so recht überlege ist es ganz gut so.warum?
    Ich hätte auf diesem weg auch verarbeitet, indem ich hier berichte ,was in der dorfkneipe ,in der ich arbeite für eine scheisse kocht.
    der punkt ist ,es ist nicht okay ruhig zu sein. einfach zuzuhören und sich den tag zu vermiesen,wegen der eigenen hilflosigkeit,der wut, die in einem aufsteigt, vielleicht auch der arroganz die man entwickelt,weil man besser und gesünder denkt!? ist es nicht wichtig dagegen zu wirken und wenn es für diesen moment ist ,das ganze zu unterbrechen ? wär es nicht sinnvoll diese niveaulose suppe zu beobachten,zu studieren und die punkte zu finden individuell einzugreifen,aalglatt und überlegen? ich für mich entwickle langsam aber sich strategien.ich kann nichts tun alleine gegen so einen asozialen mop, der mich hier umgibt. aber irgendwie habe ich den anspruch mich soweit zu verbessen, nicht schweigen zu müssen ,damit ich mich selbst schütze.ich bin noch ganz am anfang und vor ein paar tagen noch wollte ich mich vor lauter verzweiflung komplett zurückziehen. aber dann haben sie gewonnen und das lass ich nicht zu. für mich nicht ,es macht mir angst da zuzuhören...... nun gut,wie auch immer,das wollte ich wenigstens dazu sagen

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