Dienstag, 28. Juli 2015

The elephant in the room

Wohnzimmer meines Nachbarn an einem gewöhnlichen Montag
In der letzten Woche habe ich mich mal wieder ein wenig in die Untiefen der deutschen Medienlandschaft gewagt und mich auf einigen Webauftritten von diversen Lokalblättchen umgesehen. Als ob es in meinem direkten Umfeld nicht genug gäbe worüber man sich aufregen kann. Der Zimmerelefantenzüchter in der Wohnung über mir hat augenscheinlich seinen Aufgabenbereich erweitert und züchtet jetzt zusätzlich zu den Haustieren, die täglich mehrmals in kleinen Herden von seinem Wohnzimmer übers Schlafzimmer in die Küche und wieder zurück migrieren auch noch Brüllaffen. Zumindest könnte man das glauben wenn man dieser Tage die Fenster in meiner Wohnung öffnet.

Immer wenn der Typ seine Alte nagelt schreit diese wie am Spieß in einer Lautstärke dass wohl selbst die unmöglichen Quäste -so nennt man hier die unerzogenen Plagen anderer Leute- von meinem anderen Nachbarn nebenan aufwachen. So wurde es mir jedenfalls die Tage berichtet. Und das ist nicht mal das selbe Haus.
Und wenn der Koitus vollzogen ist dauert es in der Regel nicht besonders lange bis die beiden anfangen sich zu streiten - in einer Lautstärke die an Körperverletzung grenzt. Dabei können dann auch mal gerne Geschirr oder Einrichtungsgegenstände durch die Gegend fliegen. Hat der Streit sich gelegt folgt oft entweder ein Telefonat des Typen mit irgendwem, wo er dann lautstark mit seiner Potenz prahlt (zumindest male ich mir das immer aus, denn die Sprache in der diese Telefonate erfolgen ist mir völlig fremd), oder der Versöhnungsfick. Ein Teufelskreis aus dem man nur für eine Zeit lang ausbrechen kann wenn man hoch klingeln geht und um Ruhe bittet. Allerdings scheint der Knilch nicht nur extremst schwerhörig zu sein, nein er hat auch noch Alzheimer. Denn nach allerspätestens zwei Tagen geht der Zinnober wieder von vorne los.

Sei's drum, jedenfalls startete ich meinen kurzen Streifzug beim örtlichen Käseblatt, nachdem ich auf 5vier.de einen Artikel über das Verbot eines Fackelzugs der NPD gelesen hatte, das vom hiesigen Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt wurde. Nun kann man zu Demonstrationsverboten für Nazis stehen wie man will. Ich persönlich bin dagegen die Aufmärsche dieser Vollidioten zu verbieten, egal ob mit oder ohne Fackel. Erstens weil ich für die Versammlungsfreiheit unter allen Umständen bin und zweitens weil man sich bei der Gelegenheit die Nazifratzen mal schön angucken und sie ausgiebigst beschimpfen kann.
Dummerweise hat der trierische Volksfreueind eine Paywall um seinen Regionalteil herum aufgezogen, so dass dort schon nach ein paarmal klicken Ende war und ich wohl nie erfahren werde wer Flecki ist und wer warum auf ihn wartet. Ebenso werden mir die Einzelheiten zum Austritt von Chlorgas in einem örtlichen Schwimmbad und die Neuerungen beim Enscher Weinfest vorenthalten. Ich werde es überleben.

Diese, imho äußerst kontraproduktive, Paywall trieb mich dann dazu nachzusehen ob andere Käseblätter sich genauso verhalten. Nach einer kurzen Suche landete ich bei der türingischen Landeszeitung und einem Artikel über Hartz IV nach der Hochschule. Dort beklagt sich der Chef von Jenarbeit (wer denkt sich eigentlich diese bescheuerten Namen aus? Jenarbeit, wtf?), Eberhard Hertzsch, darüber dass es in Jena zu viele Geisteswissenschaftler gibt, die dann nach dem Studium erstmal in Hartz IV landen weil sie nicht sofort eine Anstellung finden. Nach Ansicht dieses Menschen sollten die jungen Leute doch lieber etwas vernünftiges studieren, wo sie dann auch gleich nach dem Studium einen Job finden. Dann kommt noch eine Fallmanagerin und der Pressesprecher zu Wort, die mit Euphemismen und freundlichen Umschreibungen wie "längere Einarbeitungszeit" die Ausbeutung von Akademikern und das Umgehen von Mindestlöhnen beschreibt. Na ja, warum soll es den studierten Herrschaften besser gehen wie allen anderen Sklaven des Systems, denke ich bei mir und klicke weiter. Auf der nächsten Seite erfahre ich etwas über die neue Lavendelkönigin, nicht zuletzt den Umstand dass es so etwas wie eine Lavendelkönigin gibt. Weiter im Programm: Der Ziegenhof Eichelborn hat sein zehntes "Hoffest" gefeiert, herzallerliebst. Irgendwo, drei Kilometer hinter dem Arsch der Welt, ist bei einem Feuer ein Hallendach eingestürzt und die Feuerwehr hat 100 Nutztiere aus anliegenden Ställen evakuieren müssen, ein Arbeitspsychologe gibt Tips für einen entspannten Urlaub und der Erfurter Flughafen ist der pünklichste Flughafen Deutschlands. Ich frage mich kurz wie eine Immobilie pünktlich sein kann, beschließe aber lieber nicht genauer darüber nachzudenken.

Ich klicke mich noch planlos durch ein Dutzend anderer Artikel und werde nirgendwo von einer Paywall aufgehalten. Genau das gleiche Bild erwartet mich beim Lokalportal "der Westen" von der WAZ-Gruppe. Jede Menge lokale "News", teilweise mit vielen Kommentaren unter den Artikeln. Keine Paywall, dafür aber offenbar eine Menge Leser. Meine kurze "Recherche" hat mich in meiner Meinung bestätigt, dass der "tierische Volksfeind" sich mit seiner Bezahlschranke auf dem falschen Weg befindet, da hilft es auch nicht wenn man nach Anmeldung im Portal sagenhafte fünf(!) Artikel pro Monat gratis lesen darf. Halten die sich für die Blödzeitung oder für den Furz am Sonntag oder was? Kein Problem, hole ich mir die regionalen Neuigkeiten eben von dem oben erwähnten 5vier.de oder bei lokalo.de. Da erfahre ich übrigens auch davon dass die Kripo Trier nach mehrmonatiger(!) Ermittlungsarbeit dieser Tage ein Fahndungsfoto von Oliver Hardy veröffentlicht hat (siehe Bild rechts), mit dem sie nun nach einem Übeltäter suchen, der am Ostersamstag in einem Vorort eine Frau belästigt haben soll. In der Provinz gehen die Uhren eben manchmal ein wenig anders...

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