Mittwoch, 2. März 2016

Der Wahl-o-mat oder: Pest und Cholera

mein Wahl-o-mat Ergebnis für Sachsen-Anhalt
Demnächst stehen ja wieder einmal Landtagswahlen an. Und zwar hier in Rheinland-Pfalz, in Baden Württemberg und in Sachsen-Anhalt. Die Demokratie-Simulation geht in eine neue Runde und dementsprechend gibt's auch wieder einen Wahl-o-mat mit dem man die Positionen der einzelnen Darsteller miteinander vergleichen kann. Wobei der Begriff Position natürlich eher nicht so eng gesehen werden darf. Bei dem ganzen Flip-Flopping was da in den Parteien so abgeht kann man sich ja bei den meisten nicht einmal sicher sein, dass sie ihre Positionen bis zum Wahltag nicht vielleicht doch noch ein paarmal ändern. Aber sei's drum, ich hab mir den "Spaß" mal gemacht und auf der Webpage der Bundeszentrale für politische Aufklärung die jeweils 38 Fragen für alle drei Bundesländer beantwortet um herauszufinden was denn für mich "die richtige Partei" ist. Rheinland-Pfalz weil ich hier wohne, Baden-Württemberg weil ich dort wohl bald wohnen werde und Sachsen-Anhalt einfach weil ich nix besseres zu tun hatte. Die Fragen unterscheiden sich nicht so sehr zwischen den Ländern, wie ich eigentlich erwartet hätte. Es gibt einige lokalpolitische Ausnahmen die sich um Infrastruktur-Probleme drehen, aber im großen und ganzen sind die Fragen mehr oder weniger ein Spiegel der aktuellen Situation in Gesamtdeutschland.

Rheinland-Pfalz
Während zum Beispiel in Rheinland Pfalz nach dem Standpunkt zum Ausbau der B10, dem Bau einer Rheinbrücke im Mittelrheintal und einem Nachtflugverbot für den Flughafen Hahn gefragt wird, geht es in Sachsen um den Ausbau des Mobilfunknetzes, ein nächtliches Tempolimit für Güterzüge ohne sogenannte Flüsterbremse und den eventuellen Bau eines Saale-Elbe Kanals. Baden Württemberger werden gefragt ob sie mehr Geld für den Ausbau des Radwegenetzes bereitstellen würden und ob Schüler und Studenten gratis den ÖPNV nutzen können sollten.
In allen drei Fragebogen ist die Flüchtlings-/Migrationsthematik allgegenwärtig mit je neun Fragen in Rheinland Pfalz und Baden Württemberg und sechs in Sachsen. Zumindest in BaWü und RLP ist das Thema trotz aller Dringlichkeit meiner Meinung nach überrepräsentiert. In allen drei Ländern wird auch das Thema Polizei und Überwachungsstaat mehrfach angesprochen.Außerdem wird die Frage ob mehr Videoüberwachung erwünscht ist gestellt und die Kennzeichnungspflicht für Bullen bei Großeinsätzen wird angesprochen. Obwohl sonst ja eher als provinziell und wenig progressiv verschrien, hat Rheinland Pfalz im Vergleich zu Baden Württemberg und Sachsen eine (anonymisierte) individuelle Kennzeichnungspflicht für Bullen, der sich die konservativen und rechten Parteien in den beiden anderen Ländern entgegenstellen und die ebendiese Parteien in Rheinland Pfalz auch gerne wieder abschaffen würden. Lustig, weil völlig realitätsfremd, sind die Erklärungsversuche dieser Parteien warum sie gegen eine Kennzeichnungspflicht sind.

Baden Württemberg
Überhaupt sind das interessanteste an den Fragebögen die Antworten der Parteien. Zur Wahl stehen hier bei uns 14, in Baden Württemberg 22 und in Sachsen-Anhalt 15 Parteien. Wer hier schon öfter gelesen hat dürfte ahnen dass ich keiner der Parteien auch nur von zwölf bis Mittag vertraue. Da ich recht eindeutig eher dem linken Bereich des politischen Spektrums nahestehe dürfte es weiterhin auch niemanden verwundern, wenn ich sage dass ich mich keiner der zur Wahl stehenden Parteien besonders verbunden fühle. Am ehesten kommt für mich persönlich noch "die Linke" (bzw. die DKP in BaWü) in Betracht, sozusagen als das kleinere Übel. Aber mit der Wahl des kleineren Übels habe ich mich schon einmal gewaltig in die Nesseln gesetzt als ich 1998 einmalig die SPD wählte um zum Beenden der Leichenstarre der Kohl-Ära beizutragen. Egal, zurück zu den Parteien und ihren Antworten auf die Fragen. Ich habe mir nicht alle Antworten aller Parteien angeguckt (die man sich hier, hier und hier für die  jeweiligen Länder als PDF herunterladen kann), sondern mir die, ähm, Rosinen herausgepickt. Will heißen die großen Parteien plus die Grünen und die Linke. Spaßparteien wie die AFD, NPD und die FDP habe ich nur der Vollständigkeit halber mit in meine Betrachtungen aufgenommen und um zwischendurch mal was zu Lachen zu haben.

Auszug Wahl-o-mat Antworten RLP
Ich will jetzt hier auch keinen großartigen Aufsatz über die Positionen der einzelnen Player in diesem bescheuerten Spiel verfassen, guckt euch die Parteiprogramme oder die Antworten auf die Fragen des Wahl-o-mat in den PDFs an und macht euch selbst ein Bild. Aber ein paar Kleinigkeiten finde ich dann doch erwähnenswert. Zum Beispiel den Fakt, dass fast alle Parteien bis auf die Grünen, die Piraten (obwohl die leider nicht mehr groß erwähnenswert sind) und die Linke sich darin einig sind die menschenfeindliche Abschiebepraxis weiter beizubehalten, bzw. zu verschärfen. Interessant fand ich auch, dass viele Parteien sich auf Landesebene gegen TTIP zu sträuben scheinen. Aber das macht ja nichts weiter, denn die Entscheidungen darüber fallen eh auf Bundesebene und dort ordnen sich die Blockflöten von der SPD und den Grünen dann wieder brav unter und beruhigen ihr Gewissen, soweit überhaupt noch vorhanden, mit dem Fraktionszwang gegen den man ja nix machen kann. Überhaupt unterscheiden sich die Antworten der beiden "Großen", CDU und SPD, in weiten Teilen nur marginal voneinander, mit einer sehr erwähnenswerten Ausnahme. Nämlich ist die Rheinland-Pfälzische CDU offensichtlich nicht gut auf die hiesige SPD zu sprechen. Weil die CDU seit 25 Jahren in den Landtagswahlen kein, äh, Land mehr gesehen hat, gehen die schwarzen Wahlkämpfer dieses Jahr in die Offensive. Als Einzige Partei ist sich die RLP-CDU in den Antworten auf die Fragen im Wahl-o-mat nicht zu fein immer wieder die SPD, bzw die rot-grüne Regierung direkt anzugreifen, was bei mir allerdings eher einen verzweifelten und unprofessionellen als kämpferischen Eindruck erweckte. Aber die CDU Oberziege Klöckner kommt sowieso nicht besonders sympathisch rüber. Naja, die Dreyer auch jetzt nicht unbedingt, aber zumindest wirkt sie nicht so verbissen.
Auszüge des SPD-Bashings und andere Antworten der CDU
Aber kommen wir zum -nun ja- lustigeren Teil dieses Posts: Interessant sind ja auch die Unterschiede in den Aussagen der Rechtsextremisten in den einzelnen Bundesländern. Die NPD in Rheinland Pfalz faselt zum Beispiel ganz auf dem Stammtischniveau das man von ihr erwarten würde von Invasoren und Scheinasylanten. In Baden Württemberg geben sich die Nazis etwas zurückhaltender und haben den schmissigen Begriff "Asylforderer" erfunden. Überhaupt ist die RLP-NPD mit allen ihren Aussagen knapp unter Kneipenniveau (was wohl zu einem großen Teil mit dem hiesigen Obernazi zusammenhängt, über den ich hier auch schon mal berichtet habe) während sie in Baden Württemberg und Sachsen teilweise fast vernünftig zu argumentieren scheint und auf allzugroße Hetze verzichtet. Nichtsdestotrotz gibt sie sich populistisch bis zum Erbrechen, labert von Tradition und Gefahren fürs Abendland und ist ansonsten auch weitgehend realitätsfremd. Laut lachen musste ich als ich las was die NPD in Baden Württemberg zum Thema Legalisierung von Cannabis zu sagen hat:
Die NPD in Baden Württemberg ist strikt gegen den Anbau, Handel oder Konsum jedweder Drogen.
Kann man sich gar nicht ausdenken sowas. Die NPD will also Weinanbau, Kaffee- und Zigarettenhandel usw. usf. verbieten. Na dann mal viel Spaß ihr völkischen Hohlbirnen. Auch witzig ist was die NPD Sachsen zum Thema "Abschaffung des Verfassungsschutzes" schreibt:
 "Die skandalträchtige Rolle des sogenannten Verfassungsschutzes und seiner Agenten ist nicht zuletzt im Rahmen der Arbeit mehrerer NSU-Untersuchungsausschüsse hinreichend belegt worden."
Hmm, oh-kay? Lassen wir mal  unkommentiert so stehen diesen Satz und kommen zu einer weiteren "hochexplosiven" These der Freunde des Faschismus in Sachsen:
Projekte gegen Rechts sind "...staatlich gefördertes Sozialbiotop für nicht arbeitsmarkttaugliches Personal" (NPD)
LOL, das sind schon Stimmungskanonen da bei der NPD, wer hätte das gedacht.

BlaBlaBlubb
Zum guten Schluss noch ein Punkt, dem ich sogar zustimme. Und zwar geht es um die Hochschulreform, den sogenannten Bologna-Prozess. Diesen halte ich, wie auch die Fascho-Spinner, für völligen Bullshit. Die ganze "Internationalisierung" des Studiensystems so wie sie sich zur Zeit darstellt ist IMHO  Bullshit, wie übrigens auch der Name Bologna-Prozess schon andeutet (siehe Bologna oder Baloney im Urban Dictionary), aber ich schweife ab. Jedenfalls zeigt sich dass die NPD (und übrigens auch die AFD) versucht mit populistischer Augenwischerei (gegen TTIP, für Frauenrechte, blablablubb) auf Stimmenfang zu gehen, was hoffentlich nicht gelingen wird.

Als Fazit bleibt mir zu sagen, dass ich trotz massivster Zweifel am funktionieren dieser "Demokratie" und am Sinn dieser Wahlen wohl doch mein Kreuzchen machen werde. Und sei es nur aus Protest gegen den Rechtsruck in der Gesellschaft und in fast allen Parteien. Nicht das ich erwarten würde dass es irgendetwas ausmacht, oder dass sich etwas ändern würde, käme jetzt eine linke Partei in einem der drei Bundesländer an die Macht (wenn es denn so etwas gäbe in Deutschland).

2 Kommentare:

  1. Falls es Dich interessiert: Hier kannst Du mein "Wahl-o-mat"-Ergebnis für Sachsen-Anhalt bestaunen. ;-) Es ist kompletter Irrsinn - die Fragen bzw. Positionen sind teilweise derart hanebüchen und dumm, dass der Bullshit aus allen Ritzen quillt.

    Eine OT-Bitte am Rande: Schreibe doch bitte öfter und mehr - Stimmen wie die Deine fehlen in Kleinbloggersdorf ungemein.

    Liebe Grüße!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hi Charlie,
      Deiner Bitte werde ich versuchen nachzukommen, mir gingen in den letzten Wochen allerdings zu viele nicht spruchreife Sachen durch den Kopf und Filler zu posten, nur um was gepostet zu haben, da hatte ich auch keinen Bock zu. Jedenfalls danke für die freundliche Ermunterung wieder aktiver zu werden :-)

      Löschen