Donnerstag, 24. März 2016

Wenn die bunten Fahnen wehen

Manneken Pis (CC BY-SA)
Jetzt wehen sie wieder, die bunten Fahnen. Diesmal ist es nicht die klassische "La Tricolore", die an irgendwelche Bauwerke projiziert wird sondern, dem Anlass entsprechend, die belgischen Nationalfarben. Diese sogenannten Solidaritätsbekundungen tauchen jetzt wieder an den unmöglichsten Stellen auf. Wir sind jetzt also nicht mehr Charlie sondern belgische Waffeln. Oder vielleicht sind wir Manneken Pis? Wer weiß das schon noch so genau. Es weiß ja auch keiner so genau warum wir in den vergangenen Wochen nicht Ankara oder Istanbul waren. Gut, der islamische Halbmond auf rotem Grund am Brandenburger Tor würde bei den Neurechten wohl auch nicht so gut ankommen und der AfD womöglich noch den ein oder anderen Prozentpunkt mehr bei der nächsten Sonntagsfrage einspielen. Das Risiko können natürlich unsere ReGierenden nicht eingehen, aber schäbige Deals mit der noch schäbigeren türkischen Regierung machen, das können sie. Und wenn wir schon bei schäbigen Deals sind: Was die EU in Nordafrika treibt (hatte ich hier schon einmal ganz kurz angerissen) geht auch auf keine Kuhhaut.


Auch auf die irakische Flagge werden wir lange warten können und das nicht nur weil da im Moment groß Allahu Akbar draufsteht, sondern weil uns (also "dem Westen") die Gewalt, die den Menschen dort Tag für Tag von unseren "Verbündeten" angetan wird, glatt am Arsch vorbei geht. Genauso wie das Leid der afghanischen oder der syrischen Bevölkerung uns am Arsch vorbei geht, solange bis die Opfer dieser Gewalt dann an unsere Tür anklopfen. Und komm mir jetzt keiner mit "Ja, die Belgier und Franzosen sind uns halt näher, da ist man eben betroffener als wenn in China ein Sack Reis umfällt und 30 Kinder erschlägt" oder sowas in der Art. Es geht hier nicht um die persönliche Betroffenheit von Einzelnen, sondern um die Betroffenheitsrituale der Politik. Diesen heuchlerischen Arschlöchern sind die Schicksale der jetzt in Brüssel gestorbenen nur wichtig weil sie, metaphorisch auf deren zerfetzten Leichen stehend, wieder einmal "mehr Überwachung!" und "Sicherheit als Super-Menschenrecht" oder ähnlichen Scheiß fordern können.

Das Gewalt Gegengewalt produziert und dass die Anschläge, egal ob in Paris oder jetzt in Brüssel eben nicht Gewalt, sondern Gegengewalt waren, mit der Menschen sich auf ihre verquere, aber nicht unlogische Art am "Westen" für erlittenes Unrecht rächen wollen, scheint unseren Politdarstellern gar nicht in den Sinn zu kommen. In Wahrheit ist das natürlich Unfug, denn Politiker sind in der Regel keine Idioten, auch wenn sie sich oft so verhalten. Den allermeisten Regierungspolitikern unterstelle ich, dass sie sehr wohl wissen woher der Terror kommt und wie man ihn erfolgreich bekämpfen könnte. Aber man kann ja dem Wahlvieh nicht sagen dass es seit je her nur um machtpolitische Interessen geht und dass Wohlstand, Freiheit und "Demokratie", die wir hier im Westen (scheinbar) genießen, in diesem Maß nur auf den Rücken vieler vieler Ausgebeuteter möglich ist. Früher war das Verstecken dieses Fakts kein größeres Problem, die Ausgebeuteten und Übervorteilten verschwanden hinter eisernen Vorhängen oder auf der anderen Seite von Ozeanen. Mit dem Ende des kalten Krieges und der Verbreitung des Internets hat sich diese Situation allerdings grundlegend geändert. Was fehlt ist jetzt die Anpassung (sprich: Abschaffung) des aktuellen politischen Systems und die Erschaffung einer Welt, die für alle lebenswert ist. Und bevor diese Erkenntnis nicht bis in die Köpfe auch des letzten AfD-Wählers durchdringt wird auch der Terror nicht enden.

Während also die Bundeskanzlöse die Terroristen zu "Feinden aller europäischen Werte" erklärt und Thomas de Maizière vorne herum etwas von einem "Angriff auf unsere Freiheit" faselt, während er hintenrum mit allen Mitteln daran arbeitet eben diese Freiheit abzuschaffen, darf jeder einzelne von uns sich mal überlegen wieviel (strukturelle) Gewalt er sich von diesen Hanseln noch gefallen lassen will, bevor er oder sie selbst auf die Barrikaden steigt und sich mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen das System zu wehren beginnt welches uns allen diese Gewalt antut.

(Disclaimer: Ich rufe mit diesem letzten Satz ausdrücklich nicht zur Gewalt gegen irgendwen auf. Ich bin Pazifist. Aber es gibt andere Mittel als physische Gewalt.)

Keine Herren, keine Sklaven! No Gods, No Masters!

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