Montag, 16. März 2015

geplante Obsoleszenz

Beweisstück A
Heute habe ich versucht einen dieser kleinen Heizlüfter, die man für 20 bis 40 Euro im Baumarkt kaufen kann, zu reinigen und einen Wackelkontakt am Netzkabel zu reparieren.
Das Gerät leistete mir in meiner nur dürftig beheizbaren Altbauwohnung in den vergangenen drei oder vier Wintern immer gute Dienste. In letzter Zeit stellte ich jedoch fest, dass der Kasten zwar heiss wurde, diese Hitze aber nur noch in unmittelbarer Nähe des Gerätes zu spüren war. Und das obwohl der Lüfter sich noch drehte wie eh und je. Also, sagte ich mir als alter Elektriker, schraubste das Teil halt auf und machst die Kiste mal sauber. Das aber war leichter gesagt als getan, denn nachdem ich die offensichtlichen sechs Schrauben auf der Rückseite des Geräts gelöst hatte, bekam ich den Deckel trotzdem nicht ab. Ich konnte die Rückseite zwar etwas ablösen, aber nicht abnehmen um zwecks Reinigung an den Lüfter zu kommen.

Ich schaute mir das Gerät etwas genauer an und entdeckte auf der Unterseite, unter vier selbstklebenden Gummidingern, vier weitere Schrauben. Drei dieser Schrauben ließen sich auch problemlos lösen, bei der vierten aber war einer dieser gemeinen Spezialköpfe auf der Schraube, die sich mit handelsüblichem Werkzeug nicht lösen lassen. Na super. Mit ein wenig Gewalt und viel Fingerspitzengefühl bekam ich den unteren Deckel dann soweit zur Seite geschoben, dass ich zumindest den Wackelkontakt am Kabel beheben konnte. Aber den ganzen Kasten zerlegt bekam ich so immer noch nicht. Ich fummelte noch einige Minuten vergeblich an dem Gerät herum, jedoch näherte sich meine Geduld rasant ihrem Ende zu und mein Heizlüfter lief Gefahr an einer Wand ein gewaltsames Ende in Form von einem Haufen Plastik- und Platinensplittern zu nehmen. Ich stocherte eine Weile mit einem Schraubenzieher und meinem kleinen Staub-Pinsel (eigentlich zum Lüfter reinigen am PC gedacht) in den rückwärtigen Lüftungsschlitzen des Heizgeräts herum um wenigstens etwas von dem jahrealten, nikotin- und teerverseuchten, Staub herauszubekommen. Dies blieb -natürlich- zum größten Teil erfolglos und ich begann, mich körperlich und seelisch auf einen Akt sinnloser Zerstörung vorzubereiten.

Don't try this at home, kids
Aber es überkam mich, Sekundenbruchteile bevor ich das Ding an die Wand klatschte, dann doch noch so etwas ähnliches wie Vernunft. Die sehr leise Stimme der Vernunft plus mein momentan sehr akuter Geldmangel hinderten mich daran, den Heizlüfter ins Nirwana zu schicken. Kurzerhand nahm ich einen kleinen Seitenschneider. Ich knippste die Plastikgitter, die mich von der ergiebigen Staubmine zwischen Lüfter und Heizmodul trennten, durch. Nun hatte ich freien Zugang zu dem einzigen Bereich des Geräts, an dem sich Staub störend ablagern kann. Rein zufällig war dies auch der einzige Bereich des Geräts, an den man nicht herankommt ohne dieses komplett zu zerlegen. Ich entfernte also den Staub und die Haare und habe jetzt wieder einen tadellos funktionierenden Heizlüfter, der nun zusätzlich als Fleischwolf für übermütige Hamster dienen kann. Oder als Häcksel für Hunde- und Katzenschwänze. Ich werde wohl die Tage ein Meshgitter dranspaxen, damit ich mir nicht irgendwann mal aus Versehen die Fingerkuppe dran absäbele. Oder der Hund meiner Freundin auf seine alten Tage noch die Nasenspitze verliert.

Stilleben: 1 Million Staubmilben, 10.000 Zigaretten, 100 Haare, 10 Teile Plastik und Werkzeug
Dieser Heizlüfter und sein unglaublich beschissenes Design-Konzept sind ein ganz gutes Beispiel für ein Phänomen, dessen Existenz von sämtlichen Firmen weltweit vehement abgestritten wird, dass man aber bei fast allen Elektrogeräten in der einen oder anderen Form vorfinden kann. Ein Phänomen, dessen Existenz erklärt warum ein 40 Jahre alter Ventilator immer noch wie am ersten Tag vor sich hin ventiliert, während ein nicht einmal fünf Jahre alter Heizlüfter nur durch Verstümmelung seines Äusseren vorm frühzeitigen Tod bewahrt werden kann. Die Rede ist von geplanter Obsoleszenz.
Ein kompliziertes Wort, diese Obszolesenz Obsolestzens Obsoleszenz, aber hinter geplanter Obsoleszenz verbirgt sich eine recht simple betriebswirtschaftliche Erkenntnis: Wenn meine Firma Geräte herstellt und diese Geräte halten "ewig", dann hat irgendwann einmal jeder so ein Gerät und meine Firma kann zu machen. Also was kann ich als Unternehmen dagegen tun? Innovationen sind ein Weg mit der Marktsättigung umzugehen, neue Märkte erschließen ein anderer. Aber das alles kostet ein Heidengeld.
Also, denken sich die Rechenfüchse (aus der BWL-Baumschule) in den Unternehmen, wenn wir jetzt unser Produkt mit absichtlich schlechterer Qualität herstellen, dann können wir ja gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Erstens wird die Produktion billiger und zweitens können wir das gleiche Gerät an den selben Kunden immer wieder verkaufen. Ein genialer Schachzug.
Natürlich muss man aufpassen, dass der Trottel Kunde nicht zu auffällig übers Ohr gehauen wird, sonst gibts eventuell einen Image-Verlust. Also wird eine Salami-Taktik angewendet.

Festplatten zum Beispiel hatten früher mal eine Garantie von 10 Jahren und hielten diese auch meistens problemlos durch. Dann waren es noch sieben Jahre, später fünf, dann drei Jahre. Mittlerweile kann man froh sein, wenn ein HDD-Hersteller diese drei Jahre noch gibt und man muss in der Regel dafür eine Registrierung vornehmen und dem Hersteller Dinge über sich preisgeben, die ihn eigentlich nichts angehen. Die Telefonnummer zum Beispiel, oder die Schuhgröße, Mädchenname der Mutter, sexuelle Vorlieben... Ok, ganz so schlimm ist's dann doch wieder (noch) nicht. Aber jeder, der mal eine Registrierung bei einer solchen Firma hinter sich gebracht hat, weiss wovon ich rede.
Der Grund für die überbordende Wissbegier ist simpel. Diese Daten sind für eine Firma wie Samsung (nur als Beispiel) bares Geld wert, denn die lassen sich prima weiterverhökern an irgendwelche Werbefuzzis. Wer's nicht glaubt kann ja mal bei Heise nach den Samsung Schlau-TVs suchen, da wird man schnell eines Besseren belehrt.
Zugegeben, mir ist in den vergangenen 20 Jahren nur einmal eine (interne) Festplatte im Betrieb abgeraucht und die war schon sieben Jahre alt und hatte ihren Dienst wirklich getan. Allerdings werden bei mir Festplatten auch sehr pfleglich behandelt. Trotzdem, vielleicht nicht so ein ideales Beispiel.

Solche Schaltpläne waren früher bei Elektrogeräten Standard
Schauen wir mal woanders hin: Fernseher. In der guten alten Zeit™ konnte man die Rückseite eines (Röhren-) Fernsehers oder eines Radios aufschrauben und fand darauf doch tatsächlich einen Schaltplan mitsamt Teileliste. Kein Scheiss, ich hab das selbst noch gesehen und genutzt. Mein erster eigener S/W-Fernseher war ein Erbstück, dass nach fast 30 Jahren (!) guter Dienste im elterlichen Wohnzimmer den Weg in mein Kinderzimmer fand und dort noch fünf Jahre fröhlich vor sich hin strahlte, bis ich ihn für 30 DM an einen Bauern weiterverkaufte, der ihn fortan als Überwachungsmonitor für seine Kühe nutzte. Selbst in dieser schwierigen Umgebung hielt das Gerät noch einige Jahre durch, bevor es den Weg alles Irdischen ging und auf dem Elektroschrottplatz der Geschichte endete. Der nächste Fernseher, der in unserem Wohnzimmer landete war dann ein Farbfernseher mit Fernbedienung! Wunder der Technik. Dieses TV hielt dann noch einmal rund 12 Jahre bis der Zeilentrafo den Geist aufgab und ein neues her musste. Dieser Fernseher hatte keinen Schaltplan mehr auf der Rückseite und auch keine Teileliste. Dieses neue Gerät hielt dann nur noch sieben oder 8 Jahre, dann gabs den ersten LCD Fernseher. Der wurde bereits nach rund vier Jahren in Rente geschickt, allerdings weil ein neuer, Full-HD, Fernseher her musste. Man geht ja schließlich mit der Zeit.
Ich könnte fast die selbe Geschichte jetzt über Waschmaschinen (eine meiner Großtanten benutzte noch in den späten 80ern ihren über fünfzig Jahre alten Toploader, man suche sich heutzutage mal eine Waschmaschine die länger als zwölf Jahre lang hält), Bohrmaschinen oder Kühlschränke erzählen, you name it.

Diese kleine Geschichte der (Lebens-)Zeit (von Elektrogeräten) beweist natürlich überhaupt nichts und doch lässt sich ein Trend nicht leugnen: Die Lebenszeit unserer Elektronik wird immer kürzer. Natürlich ist ein Teil dieser Lebensverkürzung der rasanten Entwicklung geschuldet, die in den Consumer-Electronics Sparten abläuft. Aber wenn ich Artikel lese über Waschmaschinen, die einen eingebauten Zähler haben, der sie nach soundsoviel Waschvorgängen über den sprichwörtlichen Jordan schickt, dann bekomme ich einen Hals. Genauso bei Fernsehern oder Mainboards mit absichtlich minderwertigen Kondensatoren, oder mit schlampig verarbeiteten Platinen und kalten Lötstellen.
Ich bin beileibe kein Öko und auch kein tree-hugger, wie die Amis das so schön nennen. Aber wenn Firmen hingehen und ihre Hardware absichtlich scheisse produzieren, nur damit ich mir in zwei Jahren wieder ein neues Gerät XY zulegen muss, dann komme ich mir als Kunde verarscht vor. Und wenn ich mir verarscht vorkomme, dann ziehe ich daraus Konsequenzen und kaufe mir halt kein neues Schlau-TV von Firma X, sondern eines von Firma Y, welche ich vorher recherchiert und für gut (oder zumindest besser) befunden habe.

Warum ist es heute nicht mehr möglich, dass Unternehmen qualitativ hochwertige Geräte produzieren, die auch nach 10 oder 20 Jahren noch ihren Zweck erfüllen? Ganz abgesehen von der fehlenden Nachhaltigkeit bei dieser Wegwerfmentalität, das Vertrauen in Firmen mit einem solchen Fleck auf der ach so grünen Weste ist dadurch, bei mir zumindest, nachhaltig zerstört (ach, da ist sie ja dann wieder, die Nachhaltigkeit).

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